über das Zuchthaus von Cottbus


Der "Rote Terror" und seine Opfer aus Cottbus

Erster Prozeßtag gegen früheren DDR-Gefängnisaufseher 

Cottbus - Er verbirgt sein Gesicht hinter seiner schmalen, schwarzen Aktentasche. Er fährt sich nervös über die Stirn - aber am Ende lächelt er: Hubert Schulze - "Roter Terror" oder "Reservetod" nannten ihn die Tausende von Häftlingen, die jahrzehntelang durch seine Cottbuser Gefängnishölle gingen. Der heute 61jährige mit der kräftigen Statur - "Ich bin Wachmann bei einem privaten Sicherheitsdienst" - schlug Gesichter blutig (wenn jemand beispielsweise seinen Ausreiseantrag nicht zurückziehen wollte), stieß Gefangene die Treppe hinunter, ließ sie stundenlang in eiskalten Wasserbecken sitzen, trat ihnen mit Knobelbechern in den Unterleib. Seit gestern steht er in seiner Heimatstadt Cottbus vor der Zweiten Großen Strafkammer - anscheinend unbelehrbar und gleichmütig, sich im Schutze eines korrekten Strafrechts sicher fühlend - und nickt, als die Vorsitzende Richterin Anneliese Lützenkirchen (sie kommt aus dem Westen) sich verbindlich an ihn wendet: Ob er denn "zu diesen Dingen" etwas sagen wolle, die in der Anklage stünden? Schulze schüttelt den Kopf: "Nein", sagt er halblaut. 22 Kls 16/96 - das Aktenzeichen, unter dem die Justiz - langsam mahlend, aber ihrer Sache gewiß, ihren Anteil an der Aufarbeitung deutscher Geschichter wahrnimmt: "Bei unseren Ermittlungen haben wir uns auf die Akten der Zentralen Erfassungsstelle in Salzgitter gestüzt, die bekanntlich schon zu DDR-Zeiten Vorwürfe gegen Staatsbedienstete gesammelt hat. Schon sehr früh tauchte bei Entlassenen oder Freigekauften aus der Haftanstalt Cottbus der Name Schulze auf. Sie nannten ihn ,Roter Terror'. Er wird als außerordentlich pedantischer Typ geschildert", kommentiert der junge Staatsanwalt Klaus Deutschländer seine Arbeit. Er kommt aus Hessen - freiwillig, nicht abgeordnet. Mit leiser Stimme trägt er 39 besonders gewichtige von unzähligen anderen Fällen von Gewalt vor: Gummiknüppeleinsatz, eingeschlagene Schneidezähne, Stiefeltritte in den Unterleib, bleibende Kopfnarben, Schmerzen bis heute - Deutschländers Chronik der Ereignisse klingt durch die monotone Sachlichkeit seines Vortrags noch eindringlicher. Im trockenen Juristendeutsch hat sich Schulze, darin ist sich der Staatsanwalt sicher, "vorsätzlich die Gesundheit eines Menschen geschädigt oder ihn körperlich mißhandelt". So emotionslos lautet die Anklage. 103 Seiten umfaßt diese Aufstellung (88 Zeugen, drei Sachverständige). Schulze liest in seinem Exemplar mit, tippt nur hin und wieder mit seinem Kugelschreiber auf eine Zeile, als sei es ein Geschäftsbericht. Seine Verteidiger beginnen gleich muntere Gefechte: Sie wollen Journalisten wegen ihrer angeblich voreingenommenen Vorberichterstattung über Schulze aus dem Saal weisen lassen - vergebens. Und haben auch gleich einen Entlastungszeugen parat, der stehenden Fußes vernommen werden müsse und Schulze "korrektes Verhalten" bescheinige. "Es muß mit einem Termin schnell gehen, denn unser Zeuge will in den nächsten Tagen nach Indonesien auswandern. Und da ist es schwer, ihn zu erreichen", meint ein Verteidiger. Opfer und Täter sitzen dicht nebeneinander - auf den Zuhörerplätzen. Wie im Honecker- und Krenz-Prozeß haben sich auch hier die Claqueure des alten Regimes eingefunden. Ex-Stasi-Mitarbeiter, frühere DDR-Staatsanwälte, mächtige "Arme der Arbeiterklasse" von einst. Unten am Eingang warteten sie bereits auf Schulze: "Sind Sie ein Opfer?" fragt der Berichterstatter, um sich zu vergewissern. "Nein, wie kommen Sie denn darauf?" lautet die empört gezischte Antwort. Nein, Opfer sind sie ja nie gewesen . . . Einer sitzt mit dem gelben, länglichen Stoffteil der politischen DDR-Gefangenen auf dem Rücken mitten im Publikum: Roland Brauckmann, der 36jährige saß von 1983 an als Mitglied der Dresdner Friedensbewegung und Solidarnosc-Sympathisant in Cottbuser Haft: "Den ,Roten Terror' wiederzuerkennen? Den vergißt niemand - diese panische Angst, die wir alle vor ihm hatten!" Der junge Mann weiß, wovon er spricht: "Schulze hat mich mit seinem Schlagstock aus der obersten Etage der Stockbetten auf den Fußboden geprügelt. Und die Kriminellen in meiner Zelle aufgestachelt, mir die Zähne auszuschlagen."

 

Von HANS-RÜDIGER KARUTZ


Das Tor zum Zuchthaus Cottbus
Das Tor zum Zuchthaus Cottbus

150 Jahre Zuchthaus Cottbus

KNAST-JUBILÄUM

11. April 2010 18:06 Uhr, Tomas Kittan Das "Königliche Central-Gefängnis" in Cottbus wird in diesem Monat 150 Jahre alt. 

Aus diesem Anlass trafen sich jetzt in der alten Ruine rund 150 Ex-Häftlinge, die wegen politischer Delikte verurteilt und hier eingesperrt waren zu einer großen Gedenkfeier. Die neue Stasi-Beauftragte Brandenburgs Ulrike Poppe versprach dabei Unterstützung beim Aufbau einer Gedenkstätte in Cottbus. Brandenburgs CDU-Generalsekretär Dieter Dombrowski kündigte an, mit dem Käufer der Knast-Ruine über einen Rückkauf zu verhandeln, um die Gedenkstätte in das originale Gebäude zu verlegen.

Im April 1860 wurde das alte Backstein-Gefängnis auf dem Gelände einer ehemaligen Brauerei vor den Toren der Stadt eröffnet. Sein Spitzname war "Rote Hölle" - wegen der roten Backsteine. Jahrzehntelang war es ein ganz normaler Knast. Erst Ende der 1960er Jahre erfolgte die Umwandlung zum politischen Zuchthaus in der DDR. Bis zum Untergang des SED-Staates ließ Staats- und Parteichef Erich Honecker hier die kritische Intelligenz einsperren und abstrafen. In Cottbus saßen Hunderte Ärzte, Schriftsteller, Wissenschaftler, Geistliche und sogar Direktoren und Stasi-Offiziere. Die meisten wegen versuchter Republikflucht.

Von Cottbus aus wurden über 5000 Männer und Frauen in den Westen verkauft. Kein anderes DDR-Gefängnis hatte einen höheren Anteil am Freikauf. Der marode SED-Staat nahm damit bis zum Mauerfall rund 500 Millionen DM ein.

so sah auch meine Zelle aus...
so sah auch meine Zelle aus...

Inforadio

Ehemaliges Stasi-Gefängnis Cottbus

Hinter einer unscheinbaren Einfahrt geht es an einem Verwaltungsgebäude vorbei zum Torhaus. Hier öffnet sich der Blick auf mehrere Zellentrakte, rote Backsteinhäuser mit mehreren . Auf dem Gefängnishof steht Ex-Häftling Joachim Heide - sichtlich aufgewühlt. Er sieht nicht den Schutt, der in der ehemaligen Gefängniswäscherei liegt, die Graffitis an den Wänden, die Bauarbeiter. Vor seinem inneren Auge formt sich ein ganz anderes Bild. 
Joachim Heide: "Das allerschlimmste ist ja gewesen...gerade an dem Ort wo wir jetzt stehen...wo sich der Herr Greiffendorf damals ... kann ich gar nicht sagen ....(schluchzen) ... angebrannt hat."
Mehrere Tausende Menschen waren im Cottbuser Zuchthaus inhaftiert. Menschen - eingesperrt, weil sie in der DDR nicht mehr leben wollten oder gegen das System aufbegehrt haben. Es darf nicht in Vergessenheit geraten, was in den Backsteingebäuden in der Bautzener Straße geschah, sagen er und viele andere Ex-Häftlinge, die sich im Cottbuser Menschenrechtszentrum engagieren. Im Mai dieses Jahres hat der Verein das Areal gekauft und arbeitet seitdem fieberhaft auf die Sanierung hin. Bis Ende des Jahres soll im ehemaligen Haus 1 eine Gedenkstätte entstehen. Architekt Fred Wante will alles so authentisch wie möglich belassen. 
Fred Wante: "Alles was jetzt neu dazu kommt aber, das wird in einem sehr harten Kontrast modern dazwischen stehen. Also wir werden Fenster erneuern, die werden moderne Konstruktionen sein. Also wir werden nicht Isoliervergalsungsfenster von 1970 nachbauen. Das macht man nicht."
Der Eingangsbereich wird modern gestaltet - die alte Gefängnisküche entkernt. Um Platz für die Ausstellung zu schaffen. 
Wante: "Die ist 'ne beliebige Küche - außer das sie vielleicht noch ein bißchen schlechter als 'ne Armeeküche war. Es wird ein moderner Hintergrund für eine moderne Ausstellung sein. Alles was dannaber nach oben geht, soll möglichst unverändert bleiben. Das heißt, das Treppenhaus soll diese Gitteranlagen behalten." 
Und einige Zellen werden erhalten bleiben - um einen ungeschminkten Blick in die Vergangenheit zu ermöglichen. Der Architekt erinnert sich nur zu gut an seinen ersten Besuch in dem ehemaligen Gefängnis. An sein Entsetzen angesichts der Mannschaftszellen. 
Wante: "Wenn man sich vorstellt, daß dort in einem Raum - 45 Quadratmeter in vierstöckigen Betten 28 Menschen untergebracht sind - alle um einen Abort herum schlafen. da geht mir heute noch ein Frösteln über den Rücken, weil man sich sowas nicht vorstellen kann."
Für die Jugendlichen, die in einem internationalen Arbeitseinatz gerade die 1982 eingestürzte Gefängnismauer wieder hochziehen, ist es noch schwerer vorstellbarer. Die meisten von ihnen haben die DDR gar nicht mehr erlebt. Und doch finden es Jennifer aus Hannover und Remi aus Frankreich wichtig, einen Ort der Erinnerung zu schaffen. 
Jugendliche: "Denn somit bleibt die Geschichte auch erhalten."
"Doch das finde ich wichtig. Als Erinnerung, daß auch z.B. meine Generation mehr darüber erfahren kann, was da damals wirklich passiert ist."

 

Ein Beitrag von Anja Kabisch.

 



Die Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus ist ein ehemaliges Gefängnis in Cottbus.

1860 wurde nach dreijähriger Bauzeit das Cottbuser Zentralgefängnis eröffnet. Zur NS-Zeit wurde es als Jugendgefängnis und Frauenzuchthaus genutzt. Bei den Luftangriffen am 15. Februar 1945 wurde das Gefängnis bombardiert. In den Jahren 1949 bis 1951 erfolgten verschiedene Reparaturen und Baumaßnahmen. Am 17. Juni 1953 gab es beim Volksaufstand der DDR eine Häftlingsrevolte. Zu DDR-Zeiten wurde es zum Strafvollzug des Ministerium des Innern genutzt. [1] Die Verfahren wurden jedoch zumeist vom Geheimdienst Stasi durchgeführt. Es galt als das typische Freikauf-Gefängnis der DDR....

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